Jesuitenkirche / Allerheiligenkirche
Die Jesuitenkirche im Osten des Stiftsplatzes ist ein Bau der Spätrenaissance von 1610 und wurde nach dem großen Erdbeben von 1670 im barocken Stil renoviert. 1773 wurde der Haller Jesuitenorden aufgelöst. Seit 1972 ist die Kirche im Besitz der Pfarre Hall.
- Westfassade bestehend aus Hauptgeschoß und zwei Obergeschossen
- Innenraum, Langhaus mit Tonnengewölben und Stuckaturen der Wessobrunner Schule
- Seitenkapelle Franz-Xaver
- Barocker Hochaltar mit Altarbild von J.M. Kager
- Mobiler Altar von Markus Illmer
Inhaltsverzeichnis
Lage
Oft wird man als Haller von auswärtigen Besuchern der Stadt gefragt, wie es denn dazu gekommen sei, dass zwei so schöne große kunstvolle Kirchen nur wenige Schritte von einander in einem Rechteck am Stiftsplatz stehen: die Jesuitenkirche im Osten und die so genannte Stiftskirche ( Herz-Jesu-Basilika ) im Süden. Beide um 1600 erbaut.
Die Entstehungsgeschichte der beiden Kirchen lässt sich nur mit der Geschichte des Damenstiftes erklären. Lesen Sie dazu die Erklärungen zur Stiftskirche!
Architektur
Die Westfassade ist durch horizontale Gesimse gegliedert: in ein Hauptgeschoß, wo sich in einer Nische eine gekrönte Madonnenfigur mit Jesus am Arm befindet, und darüber in zwei Obergeschoße, wo eine Jesusstatue (z.Z. in Restaurierung) und darüber die „Heiliggeisttaube“ zu sehen sind. Das Portal aus Rotmarmor wird von Säulen flankiert und von einem gesprengten Volutengiebel abgeschlossen. In der darüber befindlichen Marmortafel wurde in goldenen Lettern die Fertigstellung und Widmung der Kirche in lateinischer Sprache eingraviert:
D (eo) O(ptimo) M(aximo)
SANCTISQUE OMNIBUS
M DC X
Zu Deutsch: Die Kirche ist dem erhabensten und besten Gott sowie allen Heiligen im Jahr 1610 gewidmet.
Planung und Bauleitung hatte der Jesuitenbruder Stephan Huber (1554 – 1619). Er war in Rom als Bildhauer und Architekt ausgebildet worden und hatte als Baumeister schon Erfahrung, weil er wenige Jahre zuvor (1604-1607) die Jesuitenkirche in Konstanz erbaut hatte. In Hall wurde der Grundstein 1608 gelegt und die Vollendung und Weihe der Kirche – wie in obiger Inschrift – 1610 vollzogen
Innenraum
Betritt man das fünfjochige Langhaus der Kirche, fällt als erstes ein massives, wuchtiges barockes Gitter auf, das ein Weiterschreiten verwehrt und nur bei Gottesdiensten oder sonstigen Anlässen geöffnet wird. Über dem Gitter hängt ein mächtiges Holzkreuz mit dem sterbenden Jesus. Da die Kirche nur durch glockenförmige Fenster auf der Nordseite erhellt wird, vermittelt sie im Gegensatz zur lichtdurchfluteten Stiftskirche einen eher düsteren „besinnlichen“ Eindruck. Brennen jedoch die großen elektrischen Luster, leuchtet die Kirche durch die weißen mit Gold verzierten Stuckaturen im Gewölbe und an den Wänden mit den ebenso in Weiß gefassten Heiligenstatuen in feierlichem Licht. Über den Fenstern im Norden und über den gegenüber liegenden Wandnischen im Süden läuft ein Arkadengang mit halbrunden Oberlichten.
Im Westen befindet sich über dem Eingangsbereich vor dem Gitter eine Empore, auf der noch Reste einer ehemaligen Orgel zu sehen sind.
Die beiden Seitenaltäre stehen links und rechts vor dem Triumphbogen, links der Marienaltar, im Bild Madonna mit der hl.Katharina und der hl.Barbara, rechts der Ignatiusaltar. Zu seinem Bild ist eine Besonderheit hervorzuheben: Der Hl.Ignatius trägt ein Messgewand, das Stiftsdamen vor rund 400 Jahren gestickt haben und das heute noch in der Sakristei der Jesuitenkirche aufbewahrt wird. An den Wandpfeilern haben sich die Statuen der Heiligen Michael, Josef, Sebastian, Katharina, Anna und Magdalena erhalten, die vielleicht von Stephan Huber selbst in Holz geschnitzt und weiß gefasst worden sind.
Vor dem Ignatiusaltar fällt eine brusthohe schmiedeiserne Umzäunung im Quadrat auf, die eine Treppe umschließt; sie führt in eine Gruft, wo die verstorbenen Jesuiten bestattet wurden. Im Zweiten Weltkrieg (1939 – 1945) mussten die Schüler der benachbarten Volksschule bei Fliegeralarm während der Unterrichtszeit zum Schutz vor allfälligen Bombeneinschlägen in diese Gruft eilen. Auch der Schreiber dieser Zeilen war davon betroffen.
Seit Allerheiligen 2022 gibt es einen neuen mobilen Altar mit Ambo und Priestersitz, der in der Mitte des Presbyteriums aufgestellt wird. Er wurde von Architekt Markus Illmer entworfen und von Schülern der Tiroler Fachberufsschule für Holztechnik in Absam gefertigt. Diese drei Teile sind aus Holz gebaut, aber weiß gefasst. Sie entsprechen so dem Weiß der Kirche, heben sich aber trotzdem von den barocken Altären deutlich ab und entsprechen so den liturgischen Vorgaben des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962 - 1965). Da die Kirche heute nicht nur für Gottesdienste, sondern auch für Ausstellungen und musikalische Veranstaltungen genützt wird, ist eine mobile Gestaltung des Altars notwendig.
Auffallend sind die mit reich geschnitztem Dekor versehenen sieben Beichtstühle. Sie lassen darauf schließen, dass die Jesuiten als Beichtväter sehr gesucht waren, nicht nur von den Stiftsdamen, sondern auch von der Bevölkerung aus nah und fern.
Im Eingangsbereich vor dem Gitter wurde 1663 auf der Nordseite die Franz-Xaver-Kapelle eingebaut und mit einem Gitter abgeschlossen. Auch diese Kapelle ist reich mit Stuck versehen und hat einen mit Messing und Silber beschlagenen Altar.
Hervorzuheben ist die großartige barocke Weihnachtskrippe mit bekleideten Figuren, die jährlich von Mitgliedern der Partisanergarde aufgestellt wird und ab der Adventszeit bis Maria Lichtmess zu bewundern ist. Einzelne Kleidungstücke der Figuren stammen noch von den Stiftsdamen.
Vor dieser Kapelle ist links an der Wand eine Marmortafel, die an den Priester Josef Lambichler erinnert, der von 1920 bis 1956 segensreich in Hall gewirkt hat und von der Bevölkerung wie ein Heiliger verehrt wird. Ihm war die Erhaltung dieser Kirche ein besonderes Anliegen.
Hochaltar
Besonders eindrucksvoll ist der wunderbare barocke Hochaltar, der die halbrunde Nische an der Ostwand der Kirche mit Einschluss der beiden großen Fenster bist zum Gewölbe ausfüllt. Das figurenreiche Altarbild von Johann Mathias Kager (1575 – 1634) zeigt uns einen wunderbaren Blick in den Himmel, wo eine große Schar von Heiligen versammelt sind; denn die Kirche ist allen Heiligen geweiht. Der Augsburger Maler Johann Mathias Kager hat in der Kunstgeschichte einen bedeutenden Namen und gehört in die Generation der Künstler, die als Bahnbrecher des frühbarocken Stils in Süddeutschland zu bezeichnen sind. Vielleicht hat er auf seiner Italienreise um 1600 Halt in Hall gemacht, wo er von den Jesuiten den Auftrag für dieses kunstvolle Retabel erhalten hat.
Dieses großartige Altarbild mit seinem vergoldeten Rahmen verdient eine längere Betrachtung (Es würde sich lohnen, dies mit einem Fernglas zu tun): Zuoberst ist die Dreifaltigkeit auf einer Wolke dargestellt, darunter in der Mitte folgt in dunkelblauem Gewand die Mutter Gottes im Strahlenkranz, von Engeln umgeben. Auf einem schwungvollen Wolkenbogen von links oben nach rechts unten sind verschiedene Heilige zu erkennen: Petrus mit den Schlüsseln, Paulus mit dem Schwert, drei Männer diskutierend und rechts unten ein Papst mit drei Bischöfen, während in der linken Ecke nur dunkle Gestalten zu erkennen sind, von denen der Mann im Hintergrund als Selbstportrait des Künstlers gedeutet wird. Aber hinter diesen vordergründigen Gestalten sieht man tief hinein in den Himmel mit vielen Frauen und Männern und Kindern als Engelchen. Eine unglaubliche Tiefenwirkung!
Der Tabernakel trägt eine in Silber getriebene Doppelkuppel und zu beiden Seiten ebenso kunstvoll gestaltete Reliquienschreine, deren Sockel mit Silberreliefs geschmückt sind.
Wandbilder
Von einem Münchner Maler stammen die sechs schmalen Bilder auf der Südwand als Gegenstück zu den Fenstern im Norden. Sie zeigen Szenen aus dem Leben des Hl. Ignatius. Sie sind leider sehr dunkel geworden und daher schwer zu deuten. Aber durch die Kunst des Photografen Gerhard Watzek wurden sie „zum Leben erweckt“ und können daher hier im Internet genau angesehen werden.
Nachwort
Ab 1610 haben Jesuiten in dieser Kirche Gottesdienst gefeiert und im benachbarten Kloster (heute: Bezirksgericht) gewohnt. Sie waren als Beichtväter, als Lehrer in der Lateinschule (Gymnasium) und als Prediger in der Pfarrkirche tätig. Aber 1773 mussten sie Hall verlassen, weil Papst Clemens XIV. nach einer länger andauernden politischen Intervention, von Portugal, Spanien und Frankreich ausgehend, den Orden aufgehoben hat.
Der Jesuitenorden wurde in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts von Ignatius von Loyola gegründet und 1540 päpstlich anerkannt. Ihm schlossen sich im 16. Jahrhundert Tausende junger Männer an, wie auch Franz Xaver und Francisco de Borja, die beide heilig gesprochen wurden und in Hall verehrt werden; Franz Xaver in der Jesuitenkirche und Francisco Borja (Francesco Borgia) in der Kapelle von Volderwald. Petrus Canisius, seit 1964 Patron der Diözese Innsbruck, ist es zu verdanken, dass 1562 eine Ordensniederlassung in Innsbruck entstand und wenige Jahre später, nur 10 km entfernt, eine in Hall; und dazu in beiden Städten ein Gymnasium, von Jesuiten geführt.
Obwohl der Orden im Jahr 1814 von Papst Pius VII. wieder zugelassen wurde, kehrten keine Jesuiten mehr nach Hall zurück, wohl aber nach Innsbruck. Kirche und Kloster in Hall waren Eigentum des Staates geworden. Aus dem Kloster wurde bis nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges (1945) eine Kaserne, dann eine Fachberufsschule und schließlich das heute bestehende Bezirksgericht. Die Kirche wurde nie geschlossen oder profaniert, sondern für Gottesdienste der Soldaten und der benachbarten Schule verwendet. Wie schon erwähnt, wird sie heute nicht nur für Gottesdienste, sondern auch für Ausstellungen und musikalische Aufführungen verwendet. Der Name „Jesuitenkirche“ ist ihr seit mehr als 400 Jahren geblieben.
Dr. Gerhard Rief
Öffnungszeiten
Dienstag bis Donnerstag 11 - 18 Uhr